Was macht ein politisches Lied aus?

  • Sozialkunde, Seminare

Am Freitag, den 25. Februar 2022, erhielt das W-Seminar „Politik und Musik”, welches von Frau Hofmann geleitet wird, Besuch von Frau Prof. Dr. Keilhauer, eine renommierte Romanistin, Germanistin und Professorin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) mit den Forschungsfeldern französische und italienische Literatur des 19.Jahrhunderts mit einem Schwerpunkt in der Genderforschung. In ihrem Vortrag, dem auch weitere interessierte Schülerinnen und Schüler beiwohnten, ging es hauptsächlich um die Fragestellung, was ein politisches Lied eigentlich ist, die historischen Perspektiven auf eine komplexe Gattung der französischen Kultur und die exemplarische Analyse von ausgewählten politischen Liedern.

Die Französische Revolution (1789-1800) war eine der Blütezeiten für die politische Musik, da der Lieddruck anstieg, politische Kämpfe mit Hilfe von Liedern, vor allem durch Parodien, ausgetragen wurden und die Bildung von oppositionellen politischen Lagern musikalisch begleitet, gar unterstützt wurde. Infolgedessen betrachteten wir ein französisches politisches Lied näher, welches nach der Revolution erschienen ist. Unsere musikalische Reise führte zu einem Liedausschnitt aus „Le temps des cerises“ von Jean-Baptiste Clément (Text) und Antoine Renard (Musik). Nach dem Mitverfolgen des Liedtextes stellten wir zunächst fest, dass es sich auf den ersten Blick um ein Liebeslied handeln muss. Aber das ist lange nicht alles, wofür dieses Lied steht. 1866, als das Lied erschien, hatte es zwar eine primär romantische Intention, doch 1871 wurde es zum Protestlied der Commune. Das Rot der Kirschenblüten, das im Lied thematisiert wird, stand nun für das vergossene Blut der französischen Arbeiterbevölkerung und Sozialisten. So war ein radikal revolutionäres Lied durch die Bewegung geboren.

Manchmal könne, so erklärte Frau Prof. Dr. Keilhauer im Folgenden, der politische Gehalt eines Liedes aber direkt im Liedtext angelegt sein, wenn auch teils nur angedeutet, wie zum Beispiel bei „Ah ça ira“ (1790), welches durch seine radikale letzte Strophe eindeutig das französische Ancien Regime (die absolutistische Monarchie vor 1789) kritisiert. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, dass der politische Gehalt durch die Melodie, die politische Haltung des Sängers oder die Wirkung auf die Hörerschaft und deren Feedback evoziert werde.

Politische Lieder spielten aber auch noch nach der Französischen Revolution eine wichtige Rolle, etwa bei Serge Gainsbourg und seiner provokanten Version der Marseillaise (1973), der französischen Nationalhymne. Auch Georges Brassens „Le Gorille“ (1952), in dem er sich gegen die Todesstrafe ausspricht, ist ein Beispiel für dieses Chanson.

Am Ende des sehr informativen, spannenden und unterhaltsamen Vortrags durften wir Frau Prof. Dr. Keilhauer noch ein paar Fragen zum Schreiben einer Seminararbeit im Allgemeinen sowie unseren individuellen Arbeitstiteln im Besonderen stellen, da sie durch die Vielzahl an unterschiedlichen Publikationen sehr viel Erfahrung beim Recherchieren und Analysieren von politischen Liedern vorzuweisen hat. Der Besuch der Professorin hat uns sehr gefreut und unser W-Seminar bereichert, auch wenn uns Zeitaufwand und Mühen des wissenschaftlichen Schreibens, wie sie die Professorin geschildert hat, beeindruckt und etwas sprachlos gemacht haben.

Debora Getachew (Q11)

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