Erinnerungsarbeit in einer digitalen Welt – wie kann das funktionieren?

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Leo Katzenberger – am 25. November 1837 in Maßbach geboren, eines von 13 Geschwistern. Er zieht mit 40 Jahren nach Nürnberg und steigt in das Schuhgeschäft seiner Brüder ein. Er wird erfolgreicher Geschäftsmann, es werden 30 Filialen in ganz Süddeutschland eröffnet, ihm steht eine vielversprechende Zukunft bevor.

Urplötzlich ist Schluss mit seiner Karriere:  Leo Katzenberger ist Jude und wird zu Zeiten des NS- Regimes immer weiter entrechtet. Die Novemberpogrome 1938 setzten all seinem Erfolg auf einmal ein Ende. Katzenberger versucht zu fliehen, scheitert jedoch. Und als wäre all das nicht genug, hat er noch weiter unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu leiden: Katzenberger kümmert sich fürsorglich um eine seiner Mieterinnen, Irene Schäfler, die Tochter langjähriger Freunde der Familie. Nachbarn werden misstrauisch und denunzieren Katzenberger 1941 bei der Polizei. Daraufhin folgen Festnahme  und Anklage auf Verstoß des „Blutschutzgesetz“, weil Schäfler keine Jüdin war. Obwohl Irene Schäfler selbst im Zeugenstand eine Affäre mit Leo Katzenberger bestreitet, wird sie zu Zuchthaus und Katzenberger zur Todesstrafe verurteilt. 

Leo Katzenberger wird am 3. Juni in München hingerichtet und fällt wie tausend weitere Unschuldige dem NS-Regime zum Opfer.

Mit dieser und zahlreichen weiteren Biografien von Deportierten, Ermordeten und Verfolgten zu NS-Zeiten setzte sich unser P-Seminar ‚Erinnern 2.0 – digitale Stolpersteine‘ die letzten beiden Jahre auseinander. Dabei richteten wir unseren Fokus vor allem auf die in Nürnberg verlegten Stolpersteine, die an die Grausamkeiten des Nationalsozialismus und die tausenden von Opfern, die die Vertreter des NS-Regimes entrechteten, verfolgten, deportieren und durch ihre Handlager schließlich industriell ermorden ließen, erinnern sollen.

Wir, 15 Schüler*innen und unser Lehrer Herr Pohlmann, wollten Geschichten zu den Namen, Schicksale zu den Jahreszahlen auf den Stolpersteinen finden und diese somit greifbarer und eindrücklicher machen und damit einen Teil dazu beitragen, die grausame Vergangenheit zu erinnern und damit Erinnern gegenwärtig zu machen.

Nach eingehender Recherche, die sich aufgrund der unsicheren Datenlage nicht immer einfach gestaltete, fassten wir unsere Ergebnisse in einem Projekt für die 9. Jahrgangsstufe zusammen: Wir planten einen Rundgang zu den Stolpersteinen im Stadtpark, nahe unserer Schule und informierten die Schülerinnen und Schüler über das Leben der Menschen, hinter den Namen. Wir erzählten ihnen, wie diese Personen unter dem NS zu leiden hatten, wie die Gesetzte ihr alltägliches Leben beeinflussten, wie sie entrechtet und systematisch ausgegrenzt und letztlich verschleppt und systematisch gemordet wurden.

Unser Ziel war und ist es dabei, an diese Menschen ganz individuell zu erinnern, an das Leid, das sie ertragen mussten, an die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten des NS- Regimes.

Auch Sie laden wir dazu ein, sich etwas Zeit zu nehmen, die verfassten Biografien zu lesen, vielleicht auch einen Rundgang von Stolperstein zu Stolperstein durch Nürnberg zu planen und sich zu erinnern. Zudem haben wir zu diesem Zweck sämtliche Biografien in einer App hinterlegt.

Verena Wedel, Q12

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